Eine Reise in die Vergangenheit

 

21.Juni 1919, gegen 11 Uhr in Scapa Flow: „Paragraph elf, bestätigen!“ - mit diesem Befehl leitete Admiral Ludwig von Reuter die Selbstversenkung der einstmals großen kaiserlichen Flotte ein. In Anlehnung an die Biercomments der Studentenverbindungen (Paragraph 11 heißt so viel wie: „es wird fortgesoffen“) versuchte er mit der Selbstversenkung die Übergabe der Flotte an die Alliierten Streitkräfte zu verhindern – was ihm auch bis auf 15 Schiffe gelang…

 

Ein kleiner Rückblick: seit dem 09. November 1918 ruhen die Waffen. Es beginnen die Friedensverhandlungen in Versailles, in denen das Kaiserreich keinen guten Stand hat. Während der Zeit der Friedensverhandlungen wurde ein Großteil der kaiserliche Flotte (unter Führung von Konteradmiral Ludwig von Reuter) in dem schottischen Naturhafen von Scapa Flow (Orkney) interniert. Auf den 74 Schiffen befand sich nur eine Notbesatzung und alle wertvollen und wichtigen Ausrüstungsteile wie nautische Instrumente und vor allem Waffen und Munition wurden entfernt. Da kein Kontakt nach Deutschland bestand, konnte Admiral von Reuter alle Fortschritte der Friedensverhandlungen nur aus ein ein paar Tage alten Zeitungen entnehmen. Wichtig ist noch zu erwähnen, dass während der Friedensverhandlungen lediglich ein befristeter Waffenstillstand bestand. Als nun 1919 der Ablauf der Waffenstillstandsfrist näherkam und immer noch keine Einigung über den Friedensvertrag zwischen Deutschland und den Alliierten in Sicht war, fürchtete Admiral von Reuter, dass die englischen Bewacher mit Ablauf der Frist die Kriegshandlungen wieder aufnehmen könnten.

 

Bereits einige Tage vor Ablauf der Frist, gab er den Kommandanten der Schiffe die Anweisung, alles für eine Versenkung vorzubereiten. Als die englischen Bewacher am 21. Juni 1919 zu einer Übung ausliefen, sah er seine Chance: er gab per Flaggensignal und Semaphor den Befehl: „Paragraph 11, Bestätigen“ – dies war das Zeichen an die Schiffe die Seeventile zu öffnen und unbrauchbar zu machen, so dass die Versenkung nicht aufgehalten werden konnte. Ebenso wurden die Schotten (Luken zwischen Abteilungen im Schiff, die das Eindringen von Wasser verhindern sollen) geöffnet und verkeilt, damit die Schiffe schneller sinken konnten.

Als die Briten merkten was vor sich ging, versuchten sie natürlich den Untergang der Flotte zu verhindern, aber ihre einzige Möglichkeit war, die Schiffe an den Strand zu ziehen (das sog. „beachen“). Das gelang aber nur bei einem kleinen Teil der 74 Schiffe.

 

In den folgenden Jahren wurde der Großteil der Schiffe gehoben (von Cox & Danks), es liegen von der ehemaligen Flotte nunmehr nur noch 7 Schiffe am Meeresgrund:

 

Die großen Schlachtschiffe ("König" Klasse):

SMS Kronprinz Wilhelm

SMS Markgraf

SMS König

 

länge: 177,7m, 25800 BRT, 10 30,5cm Kanonen, 14 15cm Kanonen, 8 8,8cm Geschütze, 5 50cm Torpedo Abschussvorrichtungen

 

der Minenkreuzer

SMS Brummer

länge: 140m, 4385 BRT, 4 15cm Kanonen, 2 8,8cm Geschütze, 2 50cm Torpedo Abschussvorrichtungen und 360 Minen

 

kleiner Kreuzer

SMS Karlsruhe

länge: 151m, 5440 BRT, 8 15cm Kanonen, 2 8,8cm Geschütze, 2 50cm Torpedo Abschussvorrichtungen und 120 Minen

 

und die leichten Kreuzer (Cöln-Klasse)

SMS Cöln (II)

SMS Dresden (II)

länge: 155m, 5620 BRT, 8 15cm Kanonen, 2 8,8cm Geschütze, 4 60cm Torpedo Abschussvorrichtungen und 120 Minen

 

Desweiteren kann man noch zu den Kanonen (den 30,5cm) der SMS Bayern tauchen, die jedoch auch etwas tiefer liegen.

Sehr beeindruckend waren die großen Schlachtschiffe: die Kanonen waren so schwer (und zudem nicht fest mit dem Schiff verbunden, sondern nur von oben in den Schiffskörper eingesetzt), dass sie die Schiffe beim sinken um fast 180 Grad drehten. Daher liegen die Großen Schlachtschiffe Kronprinz Wilhelm, Markgraf und König fast Kieloben auf dem Meeresgrund. Das beeindruckende daran sind die Abmaße: beim abtauchen trifft man erst auf den Kiel um dann an der Außenwand des Schiffes nach unten zu tauchen um das Deck zu sehen – und vom Kiel bis nach unten sind es fast nochmal 20 Tiefenmeter…

Leider hat der Zahn der Zeit doch schon sehr an den Wracks genagt, sie liegen ja nun schon über 90 Jahre dort. Ebenso wurden sie erst 1995 unter Denkmalschutz gestellt – somit darf nichts mehr aus den Wracks mit nach oben gebracht werden, was in den Jahren davor gang- und gebe war (es soll einen Tauchclub in England geben, der nach und nach die ganze Brücke eines Schiffes (ich glaube, es war die der "Brummer") abgebaut hat und nun in ihrem Clubheim stehen hat...). 

 

Das penetrieren, also in die Wracks hinein tauchen, sollte nur wirklich erfahrenen Wracktauchern vorbehalten sein, da es nicht ungefährlich ist. Aber auch für Sporttaucher gibt es einige relativ ungefährliche „Swim-throughs“, also Stellen, wo man durch das Schiff in teilen durchtauchen kann.

 

Aber nicht nur die Wracks des ersten Weltkriegs sind interessant, sondern auch die Blockschiffe in den Sounds, die während und vor des 2ten Weltkrieges versenkt wurden, sind absolut sehenswert – allerdings kann man hier nur zwischen den Gezeiten tauchen und man muss(!) die Tauchzeit penibel einhalten, denn wenn die Gezeitenströmung einsetzt wird es kritisch, diese ist sehr stark!

 

Grundsätzlich gilt für Scapa Flow: es ist tief, es ist kalt, es ist dreckig – ich fand’s super.  Die Sichtweite beträgt an guten Tagen 10m+, an schlechten kann es auch mal nur 2-3m sein, die Wassertemperatur liegt selbst im Sommer nur bei 12-14 Grad (Trocki ist ratsam). Ein gutes Orientierungsvermögen (natürliche Navigation) ist unbedingte Voraussetzung! Guides gibt es nicht, wer in Scapa taucht, muss tauchen können; das Briefing enthält lediglich Schiffsname, Tiefe (min/max) und  "Sehenswürdigkeiten". Alle Tauchgänge sind Bootstauchgänge, man taucht an einer Shotline ab und auch wieder auf. Deko ist an der Tagesordnung, da man bei fast jedem Wrack an die 35-40m tiefe kommt, lediglich die Karlsruhe liegt nur in 26m Tiefe. Dekozeiten von 20min sind nicht selten gewesen (bei Luft als Atemgas). Doppelflaschen bieten sich an, ggf. eine Deko-Stage mit EAN50. Man macht in der Regel 2 Tauchgänge pro Tag, natürlich Wetterabhängig. Das Wetter kann sich innerhalb eines Tages dramatisch ändern, so hatten wir während meines Aufenthaltes an einem Tag fast glatte See (also Wind 2) und am nächsten Tag hatten wir Tauchfrei, da die Windstärke auf 10 gestiegen war - so bekam ich dann wenigstens noch die Sehenswürdigkeiten von Orkney zu sehen: Ring of Brodgar, Stones of Stenness, Highland Park Distillery, Skara Brae, Italian Chapel, usw...

 

Alles in allem war Scapa Flow für mich das Highlight meiner (bisherigen) Tauchkarriere und ich war mit Sicherheit nicht das letzte Mal dort, auch wenn die Reise dorthin der Wahnsinn ist (ich bin mit dem Auto gefahren, fast 2000km einfache Strecke) – dafür brauchte ich aber auch nicht auf irgendwelche Ausrüstungsteile zu verzichten und konnte alles mitnehmen was ich wollte. Ich tauchte meist meine D12 mit Luft bzw Nitrox. Getaucht sind wir mit mit der MV Valkyrie (Helen and Hazel). Gefüllt wird direkt auf dem Boot, alles was man möchte (Nitrox wie benötigt, ebenso ist Trimix möglich).

 

Mit Fotos der Wracks Unterwasser kann ich selbst nicht mit dienen, aber ich habe einige Bilder von Freunden verlinkt (da ich keine Kamera dabei hatte war ich ein zumindest ein beliebtes "Model" mit meiner Lampe…):

 

Fotos Scapa Flow von:

Tim Priest

ein paar Überwasser von mir